Wege der Ganzwerdung

In ihren eigenen Worten – Eine Hommage an Phyllis Lei Furumoto

In ihren eigenen Worten – Eine Hommage an Phyllis Lei Furumoto

Die Hommage richtet ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Persönlichkeit, der sie gilt. Nach Phyllis Furumotos Tod im März 2019 taten sich einige ihrer engen Freunde, Kollegen und Reiki-Meister zusammen und gaben eine besondere Sammlung von Texten der Großmeisterin und letzten Linienhalterin des Usui Shiki Ryoho heraus. Eine Hommage heißt, sich vor jemandem zu verneigen, seinen Respekt und seine tiefe Verehrung zum Ausdruck zu bringen.

Die Editoren des Buches ehren, wie der Titel „In ihren eigenen Worten“ schon ankündigt, Phyllis Lei Furumoto, indem sie wenig über sie schreiben, sondern die Texte dieser bedeutenden Persönlichkeit für sich selbst sprechen lassen. Sie haben die Texte ausgewählt, die dem Leser nicht nur einen Eindruck von Phyllis’ Leben und Wirken geben, sondern auch einen Einblick in das Selbstverständnis der Großmeisterin als Reiki-Lehrerin, Linienhalterin, Person des öffentlichen Lebens und Mensch.

Für mich gibt es keine wertschätzendere Art, einem Menschen seinen Tribut zu zollen als den, ihm noch einmal eine Stimme zu geben. Die Aneinanderreihung von sechs Interviews und 27 Kolumnen aus dem englischsprachigen Reiki Magazine International gibt dem Leser einen umfassenden Überblick über Phyllis’ Geschichte und wichtige Fragen, zum Beispiel nach spiritueller Praxis, Linie und Übertragung von Reiki. Die Texte überzeugen nicht nur wegen ihrer großen Aussagekraft zur Geschichte und Philosophie von Reiki und der Person Phyllis Lei Furumoto, sondern auch durch wunderbare Details, kleine Anekdoten und menschliche Geschichten, wie im Interview zu ihrem Sabbatjahr: „…, aber in diesem Winter lernte ich Skifahren, und mein geradliniges Leben war vorbei. Ich kündigte das Programm und meinen Job und zog nach Winter Park.“ / S. 36).

In ihren eigenen Worten – Eine Hommage an Phyllis Lei FurumotoDas Buch ist 2020 auf Deutsch erschienen, übersetzt aus dem Amerikanischen von Johannes Reindl und Erika Breiter. Es ist sehr ansprechend gestaltet, ganz in weiß gehalten, rote Überschriften, schwarze Textblöcke. Das Schönste sind die farbenfrohen Fotos. Phyllis allein, mit einzelnen Menschen und Gruppen, häufig lachend und lächelnd, auch tanzend, meditierend, lehrend. Die Reihenfolge ist nicht chronologisch, und so begegnet einem beim Blättern auf jeder Seite eine neue, strahlende Phyllis. Die Aufnahmen stammen aus den Archiven zahlreicher Weggefährten.

Als Vorwort findet man die Nachrufe der Herausgeber, Rolf und Li-Li Holm. Kurz und sehr herzlich. Auf das Inhaltsverzeichnis folgt ein kurzer Text von Johannes Reindl, dem Nachfolger als Linienhalter des Usui Shiki Ryoho. Es folgen Texte von Joyce Winough, Phyllis’ Lebensgefährtin, und Paul und Susan Mitchell, sehr enge Freunde und Kollegen der Großmeisterin. Jeder von ihnen beschreibt in prägnanten Worten, wer Phyllis für sie war. Diese liebevollen Worte sind eine wunderbare Einleitung für die folgenden Interviews.

Vom ersten Interview an kann der Leser sich sehr gut in der Textsammlung orientieren. Jegliche Kommentare und Einleitungen zu den hier erstmals in deutscher Sprache abgedruckten Interviews und Kolumnen sind stets kursiv gehalten und heben sich so deutlich vom Originaltext ab. Je weiter die Lektüre fortschreitet, desto deutlicher erkennt man den roten Faden in der Anordnung der Texte. Im ersten Teil geht es um den Reiki-Begriff, die Entwicklung der Begrifflichkeit von Reiki als Energie und System der natürlichen Heilung nach Usui. Phyllis versucht zu erörtern, aus welcher Motivation man die Heilmethode im Laufe der Zeit in verschiedenen Strömungen verändert hat.

Der zweite Text ist eine Niederschrift eines Vortrags in Darmstadt, der davon handelt, sich der Form der spirituellen Praxis des Reiki hinzugeben und daraus die Möglichkeit zu schöpfen, weiter zu wachsen, sich persönlich zu entwickeln. Sie spricht (und beim Lesen hat man den Eindruck, sie spräche wahrhaftig) von den vier Aspekten der Heilanwendung, persönlichen Entwicklung, spirituellen Disziplin und des mystischen Ordens und deren Zusammenhang in der jeweiligen Zeitqualität. Dieses Thema erläutert sie im darauffolgenden Interview mit Rolf Holm noch näher und spricht in diesem Zusammenhang über ihre eigenen Erfahrungen mit den Aspekten als Schülerin und Lehrerin des Usui Systems der natürlichen Heilung.

Es folgen zwei Interviews mit Barbara McDaniel, die Phyllis’ Weg als Großmeisterin des Usui Shiki Ryoho sehr detailliert darstellen und vor allem die Konflikte näher beschreiben. Es geht zunächst um den Titel „Großmeister“ und dessen Ursprung. Der Konflikt zwischen Phyllis’ Rollen, die der Enkelin und die der Reiki-Schülerin, wird durch eine Anekdote aus der Zeit kurz vor Takatas Tod sehr klar aufgezeigt. Mit dem Tod der Großmeisterin Takata mehrten sich die Konflikte. Die Reiki-Meister Hawayo Takatas sprachen ihrer Enkelin Mut zu, sie war die nächste Großmeisterin. Andere beanspruchten den Titel für sich und behaupteten, Takata habe sie dazu berufen. Das Hineinwachsen in die neue Rolle, weg von der rebellischen Enkelin, von der Schülerin zur Reiki-Meisterin, Lehrerin, Großmeisterin beschreibt Phyllis Furumoto in den beiden Interviews aus verschiedenen Perspektiven: aus ihrer eigenen, ganz persönlichen – aus der des Linienforschers, der herauszufinden versucht, wie man zum Linienhalter, Großmeister oder Sensei wird – und aus der der Reiki-Gemeinschaft.

Anerkennung war über Jahre hin ein bewegendes Thema und ebenso Nachfolge. Schon 2007 fing Phyllis Furumoto an, sich mit dem Thema ihrer eigenen Nachfolge auseinanderzusetzen.

Im fünften und letzten Interview von 2002 spricht Phyllis von ihrem bevorstehenden Sabbatjahr und umreißt ihren Lebensweg in kurzen, aussagekräftigen Sätzen. Immer wieder, auch in ihren Kolumnen, läuft es darauf hinaus herauszufinden, wie man sich von Reiki leiten lassen kann. Die Großmeisterin erzählt Anekdoten, stellt Fragen und inspiriert den Leser zur Hingabe. Wie sie das macht? Auf eine magische Art und Weise: Mal klar formuliert, mal unbemerkt, mal humorvoll. Jede Interaktion, die sie beschreibt, enthält einen Denkanstoß, eine Frage, eine Lehre.
Inspiration schöpft der Leser noch mehr aus den Kolumnen, die Phyllis verfasst hat und die zuvor im Reiki Magazine International auf Englisch erschienen sind. Diese sind nach Erscheinungsdatum chronologisch abgedruckt. Fast jede Kolumne trägt einen relativ allgemein gehaltenen Titel, Phyllis nennt den Anlass, der sie zum Schreiben des jeweils inspirierenden Textes gebracht hat, erzählt von einer konkreten Situation in ihrem Leben und stellt ihre eigenen, ganz individuellen Fragen zu dem Thema. Manche Themen sind autobiographisch, manche philosophisch. Einige Themen sind fachbezogen und geben detaillierte Informationen zum Reiki-System.

Die Sammlung der Texte von Phyllis Lei Furumoto ist ein Buch, das lange vorhält. Ich empfehle, es nicht in einem Rutsch durchzulesen. Um einen Überblick über das Leben und Wirken der Großmeisterin zu bekommen, ist es gut, alle fünf Interviews relativ zusammenhängend zu lesen. Das übersichtliche Inhaltsverzeichnis lädt dazu ein, sich eine zum aktuellen Lese-Moment passende Kolumne auszuwählen, den Text zu lesen und auf sich wirken zu lassen. Fragen, die gestellt werden, versuchen für sich selbst zu beantworten … zu überlegen, ob man mit diesem Thema während seiner eigenen spirituellen Praxis schon in Berührung gekommen ist … und wenn ja, inwiefern.

Von vielen ihrer Schüler und Weggefährten habe ich gehört, Phyllis Lei Furumoto sei anspruchsvoll gewesen. Anspruchsvoll als menschlicher Charakter und auch als Reiki-Lehrerin. Dieses Vermächtnis ist ebenso herausfordernd wie diese Person selbst. Wenn jemand geht, beeindruckt er durch das, was von ihm bleibt.

Einschätzung der Redaktion Reiki Magazin: Wertvoll und relevant für jeden Reiki-Praktizierenden!
Stichting Cantina del Reiki, 112 Seiten, 25,- Euro
Das Werk ist hier im Shop des Reiki Magazins erhältlich.

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