Wege der Ganzwerdung

Moritz Harder: Zur paranormalen Informationsvermittlung mit Fernreiki – Gegenstandsbereiche

Reiki WissenschaftDiplomarbeit von Moritz Harder “Zur paranormalen Informationsvermittlung mit Fernreiki”, vorgelegt am 12.09.2003 im Fachbereich Psychologie der Philipps-Universität Marburg. Teil 1: Gegenstandsbereiche – Parapsychologie, Lebensenergiekonzeptionen, Östliche Spirituelle Systeme und Reiki.

1.0 Einleitung

Thematik: Gegenstand der vorliegenden Diplomarbeit ist eine doppelblinde, nichtklinische Fernreikistudie im Laborsetting. Reiki wird von seinen Anwendern als Lebensenergie beschrieben – einer seit Menschengedenken immer wieder postulierten, physikalisch jedoch nie direkt nachgewiesenen Energieform, die allem Leben innewohnen bzw. es überhaupt erst ermöglichen soll. Reiki wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch den Japaner Mikao Usui begründet und geht vermutlich auf alte buddhistische Ursprünge zurück. Es wird in erster Linie zu Zwecken der Revitalisierung und Heilung verwendet – üblicherweise in Form des Handauflegens. Eine Besonderheit im Umgang mit Reiki besteht jedoch darin, dass es auch möglich sein soll, die Energie als Fernreiki rein mental durch Raum und Zeit zu senden. Nach herrschendem Wissenschaftsverständnis sollte dies unmöglich sein und würde damit in den Bereich der paranormalen Phänomene fallen.

Fragestellung: Inhaltlich geht die vorliegende Diplomarbeit der Frage nach, ob beim Fernreiki Senden paranormale Prozesse beteiligt sind. Konkret soll untersucht werden, ob es möglich ist, Fernreikisendungen unter Ausschluss aller konventionellen Übertragungswege in einem Drei-Alternativen forced choice-Design zeitlich korrekt zu erfassen.

Hierzu wird Reiki von einem Sender (SE) in Form einer normalen, 15minütigen Fernreikibehandlung an eine sich mindestens 20 m entfernt befindende Versuchsperson (VP; Plural: VPn; synonym: Empfänger) gesendet. Aufgabe der VPn ist es, anhand ihrer subjektiven Wahrnehmungen herauszufinden, in welchem von drei zur Auswahl stehenden 15minütigen Sendezeiträumen (SZR) Reiki gesendet wird. Sollte sich hierbei eine signifikante Abweichung von der Ratewahrscheinlichkeit ergeben, wäre dies ein Hinweis darauf, dass beim Fernreiki Senden tatsächlich paranormale Prozesse beteiligt sind.

Besonderheiten: Vier Aspekte der vorliegenden Arbeit verdienen besondere Erwähnung. Zum Einen handelt es sich nach Kenntnis des Verfassers um die erste qualitativ akzeptable Studie im deutsch- und englischsprachigen Raum, welche sich ausschließlich mit Fernreiki befasst. Weiterhin enthält die Arbeit die nach Kenntnis des Verfassers bislang umfassendste Zusammenschau wissenschaftlicher Studien zum Thema Reiki. Ferner wird der von Wilhelm Reich beschriebene Oranureffekt auf den Umgang mit Reiki übertragen und in den Experimenten (sehr zurückhaltend) eingesetzt, um die Intensität der Fernreikisendungen zu erhöhen. Außerdem kommt der von Gerhard H. Eggetsberger entwickelte PcE-Trainer (angeblich ein serienreifes Messsystem zur Erfassung lebensenergetischer Prozesse) explorativ zum Einsatz.

Gliederung der Arbeit: Der Gegenstandsbereich gibt einen Überblick über die historischen und inhaltlichen Hintergründe der Thematik, beginnend bei der Parapsychologie im Allgemeinen, über Lebensenergiekonzeptionen, fernöstliche spirituelle Systeme bis hin zu Reiki als einem fernöstlichen spirituellen System, welches die Existenz einer spezifischen Lebensenergie mit paranormalen Eigenschaften postuliert. Im Kapitel  Theorie und Forschung werden die vorgestellten Themenkomplexe, erweitert um den Bereich der Geistheilungsforschung, theoretisch vertieft und es wird ein umfassender Überblick über den aktuellen Forschungsstand gegeben. Das Kapitel schließt mit der Diskussion denkbarer theoretischer Erklärungsmodelle und einer zusammenfassenden Einschätzung der empirischen Evidenz. Um die Hintergründe verschiedener Aspekte des Versuchsdesigns inhaltlich transparent zu machen, wird die Planung der Studie  entsprechend ihrer Entwicklungsgeschichte dargestellt. In der Experimentellen Durchführung wird der konkrete Ablauf der Studie geschildert, es folgen Auswertung,  Diskussion und Zusammenfassung.

Zur Geschlechterform: Der Verfasser hätte gerne eine Ausdrucksform verwendet, die beiden Geschlechtern gleichermaßen gerecht wird – wenn in der vorliegenden Arbeit dennoch darauf verzichtet wird, so geschieht dies ausschließlich aus Gründen der Lesbarkeit.

2.1 Gegenstandsbereich Parapsychologie

Definition: Im Jahre 1889 erschien in der Zeitschrift SPHINX ein Artikel von Max Dessoir mit dem Titel „Die Parapsychologie”, der folgende Passage enthält:

Bezeichnet man nach Analogie von Wörtern wie Paragenesie, Paragoge, Parakope, Parakusis, Paralogismus, Paranoia, Parergon u.s.f. mit Para -etwas, das über das Gewöhnliche hinaus oder neben ihm hergeht, so kann man vielleicht die aus dem normalen Verlauf des Seelenlebens heraustretenden Erscheinungen parapsychische, die von ihnen handelnde Wissenschaft ,Parapsychologie‘ nennen. (Dessoir, 1989, zitiert nach Schmidt, 2002, S. 19).

Der Begriff setzte sich durch. Eine aktuelle Definition Irvins (1989, S. 1) beschreibt Parapsychologie als die wissenschaftliche Untersuchung von Erfahrungen, welche nach derzeitigem wissenschaftlichen Kenntnisstand außerhalb der menschlichen Möglichkeiten liegen.

Rush (1986, S.4, zitiert nach Schmidt, 2002, S. 20) betont mehr die von keinem bekannten physikalischen Mechanismus vermittelte Interaktion (sensorisch wie motorisch). Allen Definitionen gemeinsam ist jedoch die negative Bestimmung des Gegenstandsbereiches – es ist das Unbekannte, bislang Unerklärliche bzw. den herrschenden Theorien und Paradigmen Widersprechende, was erfasst werden soll. Dies macht die Definition des Gegenstandsbereiches der Parapsychologie problematisch, da das Unbekannte sich bestenfalls umschreiben lässt, einer exakten Festlegung jedoch per definitionem nicht zugänglich ist.

Gegenstandsbereich: Der Gegenstandsbereich der Parapsychologie wird unterschiedlich weit gefasst. Die einen rechnen Astrologie, Ufo-Sichtungen und Pyramidenforschung mit hinzu, für andere findet parapsychologische Forschung ausschließlich unter kontrollierten Bedingungen im Labor statt.

Paranormale Phänomene werden üblicherweise in zwei Hauptkategorien unterteilt:

Außersinnliche Wahrnehmungen (ASW), wozu Telepathie, Hellsehenund Präkognitionen, das Vorauswissen zukünftiger Ereignisse, gehören, und Psychokinese (PK), der   mentale Einfluss auf physikalische Ereignisse ohne Anwendung irgendeiner bekannten physikalischen Kraft (Grabowski & van der Meer, 2001, S. 218).

Um einen Eindruck des Feldes seriöser wissenschaftlicher Untersuchungen zu vermitteln, sollen im Folgenden einige der bekanntesten Forschungsansätze genannt werden.

Neben der Untersuchung spontan auftretender Fälle wie Poltergeistphänomenen, Erinnerungen an frühere Leben bzw. der Arbeit mit Sensitiven und Begabten werden heute vor allem kontrollierte Laboruntersuchungen durchgeführt. In den Bereichen der ASW seien hier das Ganzfelddesign (Telepathieexperimente, bei denen der Empfänger einer Ganzfeldstimulation ausgesetzt ist), die Traumtelepathie (Zielreize werden während des Schlafes übermittelt), Kartenexperimente (Rateexperimente unter Hellseh- oder Präkognitionsbedingungen) und das Remote Viewing (Hellsehen ferner Orte) erwähnt. Psychokinetische Einflüsse werden unter anderem durch die Beeinflussung von Zufallsgeneratoren (Random Event Generator – REG), Würfelexperimente, paranormale Fotographie (auf Fotos erscheinen Bildelemente, die nicht abgelichtet wurden) oder Metallbiegen untersucht.

Ein für den Gegenstandsbereich dieser Arbeit besonders interessantes Forschungsgebiet sind die so genannten mentalen Interaktionen mit lebenden Organismen, zu denen auch die Fernheilungsforschung gezählt werden kann. Neben klinischen Fernheilungsstudien seien hier DMILS (Direct Mental Interaction of Living Systems – Versuch der physiologischen Beeinflussung einer VP aus der Ferne), und das Remote Staring (Anstarren bzw. intensives Beobachten einer verblindeten VP) genannt.

Geschichtliches: Auf die Frage, wann die Parapsychologie endlich Anerkennung unter anderen Wissenschaftlern finden werde, pflegte Richard Broughton zu antworten, dass dies der Fall sei, wenn die Parapsychologie Eingang in Hilgard und Atkinsons Introduction to Psychology finden werde (Broughton 1991, S. 277). Dies ist seit 1990 der Fall.

In der 13. Auflage von Hilgards Einführung in die Psychologie (Grabowski & van der Meer, 2001) finden „Psi-Phänomene” auf fünf Seiten eine offene und unvoreingenommene Würdigung. Der Abschnitt befasst sich, nach Abgrenzung des Forschungsfeldes und Vorstellung der wichtigsten Ansätze, Probleme und Kontroversen, vor allem mit der Ganzfeld-Debatte und der Metaanalyse (MA) als zunehmend wichtigem Instrument des Erkenntnisgewinnes in der parapsychologischen Forschung.

Die Geburtsstunde der wissenschaftlichen Parapsychologie wird häufig mit der Gründung der britischen Society for Psychical Research im Jahre 1882 festgesetzt. Die frühen Jahre und Jahrzehnte parapsychologischer Forschung waren von der Überprüfung und Erforschung spontan auftretender Phänomene dominiert. Einen markanten Wendepunkt stellt das Jahr 1934 dar, in dem J. B. Rhine mit der Einführung standardisierter Karten- und Würfelexperimente neue Maßstäbe setzte. Die Erforschung paranormaler Phänomene erfuhr dank Rhines Forschungsansatz erstmals in ihrer Geschichte Aufmerksamkeit und Anerkennung von Seiten eines breiteren wissenschaftlichen Publikums.

Der Durchbruch zur allgemeinen Anerkennung der Parapsychologie wurde jedoch auch mit der sich seither zunehmend ausbreitenden Laborforschung nicht erreicht – die Effekte erwiesen sich als sehr schwach und schwer replizierbar. Während laut Broughton (1992, S. 365) in den siebziger Jahren aufgrund einer Reihe neu entwickelter Forschungsmethoden wieder Aufbruchstimmung innerhalb der parapsychologischen Forschungsgemeinschaft herrschte, habe sich zu Beginn der achtziger Jahre Ernüchterung ausgebreitet, da auch die neuen Ansätze kein wirklich besseres Verständnis, geschweige denn die Akzeptanz der wissenschaftlichen Gemeinschaft erbracht hatten.

Neuen Wind in die Segel bekam die Parapsychologie mit dem Aufkommen der ersten MA Mitte der achtziger Jahre, welche durch die Zusammenschau ganzer Forschungsbereiche Effekte nachweisen konnten, wo vorher nur endlose Reihen widersprüchlicher Einzelergebnisse vorlagen. Zudem hat das Mitte der siebziger Jahre in die Parapsychologie eingeführte Ganzfelddesign eine Popularität und Anerkennung erlangt, die ihm den Ruf als „Flaggschiff” der Parapsychologie einbrachten (Schmidt, 2002, S. 36), welches der Parapsychologie letztendlich auch zum Durchbruch nach Broughtons Definition verhalf.

Eine wirkliche, allgemeine Anerkennung der Parapsychologie und ihrer Forschungsergebnisse hat jedoch bislang noch nicht stattgefunden – bis heute werden die Ergebnisse von weiten Kreisen der wissenschaftlichen Gemeinschaft in Frage, wenn nicht gar in Abrede gestellt. Hierzu trägt maßgeblich auch eine verbreitete „Skeptiker”-Bewegung bei, die das zweischneidige Schwert der Kritik jedoch recht einseitig gegen die Parapsychologie verwendet und sich damit dem Verdacht aussetzt, mehr weltanschaulich-ideologisch als wissenschaftlich motiviert zu sein.

2.2 Gegenstandsbereich Lebensenergiekonzeptionen

Von universellen, feinstofflichen, häufig auch göttlichen Lebensenergien wird seit Menschengedenken berichtet: die Chinesen nannten sie Chi bzw. Qi, die Japaner Ki, die Inder Prana oder Kundalini, bei Pythagoras hieß sie Pneuma und bei den Europäern des Mittelalters Vis Vitalis, Élan vital oder mit Paracelsus Archäus. Schon eher einer „modernen”, wissenschaftlichen Herangehensweise zuzurechnen sind Mesmers Animalischer Magnetismus, Baron Reichenbachs Od, Wilhelm Reichs Orgon, Grischenkos, Injuschins und Sedlaks Bioplasma oder Eggetsbergers Pc-Energie.

Bei aller Unterschiedlichkeit im Detail ist sämtlichen genannten Ansätzen gemeinsam, dass sie eine das ganze Universum durchdringende und erfüllende Energieform postulieren. Die Eigenschaften der Lebensenergien ähneln damit denen des Äthers im physikalischen Sinne (vgl. S. 55 f.) bzw. auch der Äther könnte zu den Lebensenergien gerechnet werden. Die meisten Ansätze sprechen „ihrer” Energieform darüber hinaus eine Affinität zu Wasser, zu organischen Materialien und zu Lebewesen zu. Manche Ansätze vertreten die Ansicht, dass es eben diese Lebensenergie sei, die Leben überhaupt erst ermögliche oder hervorbringe.

Fast alle Ansätze verwenden die Lebensenergie zu Heilungszwecken, zur Pflege der körperlichen, geistigen und psychischen Gesundheit sowie zur Steigerung von Lebendigkeit und Vitalität (je vitaler ein Lebewesen, um so mehr Lebensenergie kann es in der Regel aufweisen und vor allem auch verkraften; und umgekehrt: je mehr Energie, um so höher die Vitalität). Darüber hinaus enthält fast jeder der Ansätze eine mehr oder weniger weit entwickelte Konzeption des Persönlichkeitswachstums bzw. der spirituellen Transformation.
Als die elaboriertesten Ansätze können hier die spirituellen Systeme der Chinesen und Inder gelten. Im indischen Raum wird die Erleuchtung als Endziel des Transformationsprozesses klar benannt.

Eine direkte Erfassung im physikalischen Sinne ist bislang bei keiner der hier angeführten Arten von Lebensenergien gelungen, es ließen sich nach Kenntnis des Verfassers bestenfalls Korrelate nachweisen. Einer der hoffnungsvolleren Anwärter als eigenes, lebensenergetisches Elementarteilchen wäre z. B. das in den 60er Jahren erstmals von Gerald Feinberg postulierte Tachyon, doch konnte auch dieses bis heute nicht direkt nachgewiesen werden.

2.3 Gegenstandsbereich Östliche Spirituelle Systeme

Ferner Osten: Lebensenergetische Vorstellungen sind im weltanschaulichen, religiösen und medizinischen Denken des Fernen Ostens tief verwurzelt. Hierbei nimmt der Begriff des Chi, oder auch Qi, eine zentrale Rolle ein. Es soll sich in Form zweier grundlegender Qualitäten – Yin und Yang – manifestieren. Im menschlichen Organismus soll Chi in einem Netz von Kanälen, den Meridianen, durch den Körper fließen und dabei an mehreren hundert Punkten der Haut an die Oberfläche dringen.

An diesen Punkten könne mittels Akupunktur oder Akupressur Einfluss auf den Energiefluss und -haushalt genommen werden. Die Meridiane sollen – wie Flüsse in die Meere – in die so genannten Dantians münden. Die Aufnahme von Chi erfolge durch Luft, Nahrung und Wärme. Gesundheit und Krankheit hängen nach Auffassung der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) vom (im gesunden Zustand ungehinderten) Fluss des Chi, der verfügbaren Menge an Chi, sowie dem Gleichgewicht zwischen Yin und Yang ab. Andere Formen der Arbeit mit Chi stellen z. B. das Qi Gong oder die Kampfsportarten dar.

Mittlerer Osten: Im Mittleren Osten ist der etwa um 1500 v. Chr. entstandene Hinduismus weit verbreitet – in Indien gehören ihm bis heute etwa 80 %der Bevölkerung an (Microsoft Encarta 97 Enzyklopädie, 1996). Allgemein kennzeichnend für den Hinduismus ist neben der Vielfalt seiner Göttervorstellungen die Darbringung von Opfergaben, das Klassen- und Kastensystem, die Lehre von Karma und Wiedergeburt sowie das Ziel, dem endlosen Kreis der Wiedergeburten zu entrinnen.

Als größte Figur der indischen Religionsgeschichte gilt Buddha (ca. 563-486 v. Chr.), der mit der religiösen Autorität der Veden (alte hinduistische Schriften) brach und bestehende Vorstellungen religiöser und ethischer Art in ein konsistentes Glaubensgefüge integrierte. Die vielfältigen Göttervorstellungen des Hinduismus wurden von Buddha zwar toleriert, spielten jedoch nur eine untergeordnete Rolle, während er die hinduistische Wiedergeburtslehre übernahm. Buddha stellte Leben als Leid dar, durch Unwissenheit und materielles Denken begründet, und predigte zur Überwindung des Leids den Achtfachen Pfad, dessen wichtigste Inhalte Moral, Meditation und Weisheit darstellen.

Durch die Befolgung dieses mittleren Weges zwischen den Extremen der Maßlosigkeit und der Selbstkasteiung soll es möglich sein dem endlosen Kreislauf der Wiedergeburten zu entrinnen und Eingang ins Nirwana zu finden (Microsoft Encarta 97 Enzyklopädie, 1996). Ähnlich wie im fernöstlichen Raum ist lebensenergetisches Denken auch im Mittleren Osten weit verbreitet. Es wird hier von einer Prana genannten Lebensenergie ausgegangen, die ebenfalls in spezifischen Energiekanälen, den so genannten Nadis, fließen soll.

Die Nadis sollen bis in die Aura ausgreifen und auf diesem Wege die Verbindung zum Kosmos herstellen. Ferner wird, vergleichbar mit der TCM, davon ausgegangen, dass entlang der Wirbelsäule eine Reihe wirbelnder Energiezentren (meistens sieben) existieren – die so genannten Chakren (Sanskrit: Räder) – welche auch in Verbindung zum vegetativen Nervensystem und bestimmten Hormondrüsen stehen sollen. Als indisches Pendant zur TCM sei an dieser Stelle das Ayurveda erwähnt. Ferner wird davon ausgegangen, dass neben dem physischen Körper noch zwei weitere unsichtbare Körper existieren: Der feinstoffliche Körper und der so genannte Kausalkörper. Die tibetische Überlieferung spricht auch von einem leuchtenden Diamantleib, der im grobmateriellen Körper verborgen sei und nur bei vollkommen vergeistigten Menschen während der Meditationsekstase als leuchtender Heiligenschein sichtbar werde.

Kundalini und Erleuchtung: Bereits vor Jahrtausenden entwickelte sich aus den Vorstellungen eines die verschiedenen Körper durchgreifenden Energiesystems die spirituell orientierte Praxis des Yoga, während sich aus dem Tantra-Yoga wiederum das Kundalini-Transformationssystem entwickelte. Kundalini wird als eine im menschlichen Körper latent vorhandene Form der Lebensenergie beschrieben, welche, vom unteren Ende der Wirbelsäule ausgehend, durch Meditation und Yoga-Übungen „erweckt” werden könne und bei Fortsetzung der Übungen beginne, die Wirbelsäule entlang bis zum Scheitel aufzusteigen, wobei sie sich ihren Weg durch Blockaden und Chakren „frei brenne”. Gobi Krishna, der diesen Prozess autobiographisch beschreibt, erklärt, dass sich mit zunehmender Kundalini ein höheres Bewusstsein entwickele und bezeichnet die Kundalini-Energie als die Quelle der Genialität , künstlerischer Talente, sowie wissenschaftlicher und intellektueller Hochleistungen.

Nach Erwachen der Kundalini soll ein langjähriger Anpassungsprozess an die Energie nötig sein, dessen höchste Stufe die Erleuchtung darstelle (Krishna, o. J., zitiert nach Eggetsberger, 1996, S. 19 f.). Erleuchtung wird hierbei durchaus auch als physiologischer Zustand verstanden, der eintreten soll, nachdem das Scheitel-Chakra gereinigt und energetisch aufgeladen sei, sich nach außen stülpe und in Form des auch aus biblischen Darstellungen bekannten Heiligenscheines erstrahle. Ein mögliches physiologisches Erklärungsmodell hierzu bietet z. B. die Biophotonentheorie (Bischof, 1999). Der Kundalinigedanke wird in der Regel als zur indischen Philosophie gehörig angesehen. Laut Gobi Krishna (o. J., zitiert nach Eggetsberger, 1996, S. 19 f) sollen sich jedoch auch in Schriften aus Ägypten, Griechenland und anderen Kulturen Hinweise auf die Kenntnis der Kundalini finden lassen.

Tantrismus: Hervorgegangen ist der Kundalini-Gedanke aus dem Tantrismus, welcher eine weitere wichtige spirituelle Strömung des Mittleren Ostens darstellt. In Indien erlebte der Tantrismus ab dem 5. Jahrhundert n. Chr. eine Blütezeit und gewann erheblichen Einfluss auf Hinduismus und Buddhismus. Von Uhlig (2001, S. 38 ff.) werden Vorläufer des Tantrismus sogar als die Urformen religiöser Vorstellungen und Kulthandlungen dargestellt, deren Zeugnisse sich bis zu den Anfängen der Menschheit zurückverfolgen lassen sollen. Im Gegensatz zum Buddhismus ist der Tantrismus weltzugewandt und lebensbejahend. Er verfolgt ein ähnliches Ziel – die Rückkehr in die Einheit mit dem Universum – bloß dass er hierfür einen anderen Weg einschlägt. Im Tantrismus werden irdische Gegebenheiten, u. a. auch die Sexualität, aufgegriffen und für die spirituelle Transformation genutzt. Nicht die Abwendung von der Welt, sondern das Hindurchgehen und darüber Hinauswachsen ist der tantrische Weg. Reiner Tantrismus ist heute vor allem noch in Nordindien zu finden, doch sind der Hinduismus sowie der tibetische Buddhismus bis heute stark tantristisch beeinflusst.

Zusammenfassung:
Im Mittleren wie im Fernen Osten entwickelten sich schon vor tausenden von Jahren Vorstellungen eines den menschlichen Körper durchgreifenden Energiesystems, welches sowohl zur Wiederherstellung und Aufrechterhaltung der Gesundheit genutzt werden könne, als auch Möglichkeiten zu spirituellem Wachstum und zur Transformation biete. Allein das Jahrtausende überdauernde Bestehen dieser Ansätze in weiten Kulturkreisen sollte Anlass genug sein, sie ernst zu nehmen. Da inzwischen viele Postulate östlicher Energieansätze in wissenschaftlichen Untersuchungen zumindest in Korrelaten nachweisbar sind (siehe z. B. Bischof, 1999), werden sie allmählich auch aus Perspektive medizinischer und physikalischer Theorien des Westens versteh- und annehmbar.

2.4 Gegenstandsbereich Reiki

Definition:Das Wort Reiki soll im allgemeinen Sprachgebrauch Japans sowohl die Bedeutung universale Lebensenergie (Rei Ki), als auch spirituelle Heilung haben und für viele Arten spiritueller Arbeit und Heilung verwendet werden (DGH, 1.5.2003). Im weitesten Sinne handelt es sich um eine Form des Qi Gong, des Arbeiten mit Qi. Von Reiki-Praktizierenden wird der Begriff gerne mit Ausdrücken wie Licht, Liebe oder Göttliche Energie umschrieben. Reiki stellt weder eine Religion dar, noch muss man irgend einer bestimmten Glaubensgemeinschaft angehören, um es praktizieren zu können. Im westlichen Sprachgebrauch steht Reiki üblicherweise für die Praxis und Lehre des von Mikao Usui begründeten spirituellen Heilsystems und wird in diesem alle Schulen umfassenden Sinne auch in der vorliegenden Arbeit verwendet.

Informationsquellen: Zuverlässige historische Daten über Reiki zu bekommen ist schwierig. Hawayo Takata, die Reiki von Japan nach Amerika brachte und das System damit für den Westen öffnete, entwickelte eine eigene Version der Reiki-Geschichte, die so genannte „Reiki-Legende” oder auch „Lehrgeschichte”, welche mit den historischen Tatsachen jedoch nur bedingt übereinstimmt. Da sie zudem behauptete, dass es Tradition sei, das Wissen ausschließlich mündlich weiterzugeben (was laut Weiss, 2.5.2003c, nicht der Tradition der Schule des Begründers entspricht), umgibt die frühe Geschichte von Reiki heute ein Dunstkreis mündlich verbreiteter Legenden, der sich erst seit einigen Jahren durch den erneuten Kontakt der westlichen Reikibewegung nach Japan und Nachforschungen vor Ort allmählich lichtet. Vor diesem Hintergrund können die folgenden Ausführungen nicht mehr als ein Versuch bestmöglicher Annäherung an die historischen Gegebenheiten sein.

Historischer Hintergrund: Nach Angaben des Reikimeisters und Sanskrit-Forschers Don Alexander ist Reiki, wie es heute bekannt ist, alten buddhistischen wie auch shintoistischen Wurzeln entsprungen und soll enge Verbindungen zur traditionellen japanischen Medizin und den Kampfsportarten gehabt haben (Reiki Magazin, 8.5.2003). Der Reikimeister William Rand geht davon aus, dass Reiki mit einem alten Heilverfahren des tibetischen Buddhismus, dem Medicine Buddha, in Zusammenhang zu bringen ist. Bei dieser Technik soll das Handauflegen in vergleichbarer Art und Weise Anwendung finden wie beim Reiki; die Fähigkeit zur Anwendung wird ebenfalls in Form eines Einweihungsrituals weitergegeben. Da der Tibetische Buddhismus die einzige Form des Buddhismus ist, in der Einweihungen verwendet werden, hält Rand es für wahrscheinlich, dass Mikao Usui, der Begründer des Reiki, eine verloren gegangene Technik des Tibetischen Buddhismus wieder entdeckt hat (Rand, 3.5.2003).

Über den Begründer: Mikao Usui (15.8.1865 – 9.3.1926), zeitlebens praktizierender Tendai Buddhist (Miles & True, 2003) und Mitglied der Rei Jyutsu Ka (ein Zirkel, der sich der Entwicklung spiritueller Fähigkeiten widmete), soll sich in jungen Jahren intensiv mit Kiko, der japanischen Variante des Qi Gong, beschäftigt haben, welches u. a. als lebensenergetische Heilmethode eingesetzt wird. Diese Heilmethode verlangt vom Anwender, erst seine eigene Lebensenergie aufzubauen und zu erhöhen, um sie anschließend bei der Behandlung wieder abzugeben. Usui fragte sich, ob es wohl möglich sei, energetische Heilungsarbeit zu betreiben, ohne dabei seine eigenen Energien zu
verbrauchen (Rand, 2000). Nach Jahren des intensiven Studiums verschiedener Disziplinen, darunter Medizin, Psychologie und Religion in Japan, China und Europa sei er laut Haberly (1991) auf alte Sanskrit-Schriften gestoßen, in denen angeblich die gesuchten Symbole und Praktiken niedergeschrieben gewesen sein sollen – er habe mit ihnen jedoch nichts weiter anfangen können.

Über Usuis bürgerliches Leben ist auf einem Gedenkstein an seinem Grab auf dem Friedhof des Saihoji Tempels bei Tokio vermerkt, dass er verheiratet war und einen Sohn sowie eine Tochter hatte. Des Weiteren wird festgestellt, dass er im Leben viel Pech gehabt habe und nicht so vorankam, wie er es verdient hätte. Dadurch habe er oft in Armut gelebt, seine spirituellen Übungen aber dennoch stets fortgesetzt (Rivard, 4.5.2003a). Nach einer wenig erfolgreichen bürgerlichen Karriere in diversen Berufen (unter anderem als Beamter, Journalist, Geschäftsmann, Missionar und Sekretär eines höheren Politikers) soll er in eine umfassende Lebenskrise geraten sein. Die Zeitangaben hierzu schwanken zwischen den Jahren 1914 (Rand, 2000) und 1921 (Rivard, 4.5.2003 a). Laut Rand soll Usuis persönliches und geschäftliches Leben gescheitert sein, laut Takata war Usui verzweifelt, weil er immer noch nicht die tibetischen Heilgeheimnisse entschlüsselt hatte (Weiss, 2.5.2003d), während er nach Doi (1998, zitiert nach Rivard, 4.5.2003 a) schon seit Jahren Erleuchtung suchte und nicht fand.

Jedenfalls begann er eine 21-tägige Fastenmeditation auf dem Mt. Kurama. Am Fuße des Berges liegt eine buddhistische Tempelanlage, die ursprünglich von der Tendai Bewegung betrieben wurde. Vermutlich hat Usui an einem von den Mönchen des Tempels angebotenen 21-tägigen Exkurs teilgenommen, der aus Meditation, Gesängen, Fasten und Gebeten besteht. Dafür spricht u. a., dass zwischen den Lehren des Tempels und Usuis Reiki System eine ganze Reihe von Gemeinsamkeiten bestehen (Weiss, 2.5.2003d). Was sich dann während der Fastenmeditation ereignete, wird auf dem Gedenkstein wie folgt beschrieben: “One day, he started fast in Mt Kurama. On the twenty first day of the fast, he felt the great Reiki above his head and reached spiritual awakening and realized Reiki Ryoho.” (Rivard, 4.5.2003 a). Sollte die erwähnte Darstellung Haberlys zutreffend sein, so wäre die Kraft der Symbole, mit denen Usui anfangs noch nichts anfangen konnte, nach 21 Tagen des Fastens und Meditierens in Form einer Erleuchtung über ihn gekommen.

Mikao Usui der Begründer des Reiki

Die Geburtstunde von Reiki: Ebenfalls dem Gedenkstein zu entnehmen ist, dass Usui durch die Erleuchtung eindrucksvolle heilerische Fähigkeiten erlangte. Er erprobte diese zuerst an sich und seiner Familie, ging im April 1921 dann nach Tokio und gründete dort eine Gesellschaft zur Anwendung und Verbreitung von Reiki Ryoho, wie er seine neue heilerische Gabe nannte. Bald schon konnte Usui dem Behandlungsandrang kaum noch nachkommen. In Japan gelangte er zu landesweiter Berühmtheit, besonders nachdem er in Folge eines schweren Erdbebens 1923 in Tokio tausende von Menschen behandelt hatte, wodurch er vielen das Leben gerettet haben soll. Bis zu seinem Tode soll Usui 2000 Schüler und 16 Meister eingeweiht haben. Er starb 1926 an einem Schlaganfall (Rand, 2000 & Rivard, 4.5.2003 a).

Einweihungen: Im Gegensatz zu den meisten anderen Heilsystemen muss Reiki nicht erlernt werden, sondern wird unter Verwendung bestimmter Symbole und Mantras in Form einer Weihe vom Meister an den Schüler weiter gegeben. Besondere Voraussetzungen oder Fähigkeiten muss der Schüler hierfür nicht mitbringen. Die Einweihung in den 1. Grad Reiki soll die Möglichkeit eröffnen, sich selber und andere Personen durch das Auflegen der Hände mit feinstofflicher Energie zu behandeln (die Selbstbehandlung mit Reiki I stellt übrigens die verbreitetste Behandlungsform dar). Der 2. Grad ermögliche darüber hinaus mentale Behandlungen mit Affirmationen, Fernbehandlungen, sowie die Verstärkung des Energieflusses. Der Meistergrad (3. Grad), der z. T. in verschiedene Unterstufen differenziert wird, biete neben einer Vertiefung und Intensivierung der Energie vor allem die Möglichkeit, andere Menschen mit dem Meistersymbol in die Reiki-Energie einzuweihen.

Benennungen des Systems: Bei der vergleichenden Recherche etwas verwirrend sind die vielen verschiedenen, allem Anschein nach synonym verwendeten Bezeichnungen für das von Usui begründete System. Man findet die Formulierungen Reiki Ryoho, Usui Shiki Ryoho, Usui Reiki Ryoho oder Usui Shiki Reiki Ryoho, wobei Shiki so viel wie System, Methode, Stil und Ryoho Heilung bzw. natürliche Heilung zu bedeuten scheint. Sinngemäß übersetzt dürfte Usui Shiki Reiki Ryoho demnach in etwa Usui System der natürlichen Reiki Heilung bedeuten. Analog wird die ursprüngliche von Usui gegründete Gesellschaft (japanisch: Gakkai) zur Anwendung und Verbreitung von Reiki in der umfassendsten Schreibweise als Usui Shiki Reiki Ryoho Gakkai bezeichnet (auch hier kursieren kürzere Schreibweisen).

Ausbreitung nach Westen: Nach Westen kam Reiki über Dr. Chujiro Hayashi (1879 – 1940), einem Schüler Usuis, der dessen System vor allem für die klinische Anwendung modifiziert hatte. Dieser weihte 1938 Hawayo Takata (1900 – 1980) aus Hawaii ein, womit Reiki Japan erstmals verließ. Takata weihte von 1970 bis 1980 weitere 22 westliche Reikimeister ein (Rand, 2000, Anhang C-11), über die sich Reiki in den folgenden Jahrzehnten rasch über die ganze Welt verbreitete. Die beiden bekanntesten Schülerinnen Takatas sind Dr. Barbara Ray (früher Weber Ray), die 1980 die American International Reiki Association ins Leben rief (inzwischen umbenannt in The Radiance Technique Association International; Weiss, 2.5.2003 a) sowie Takatas Enkelin Phyllis Lei Furumoto, um welche herum sich 1981 die Reiki Alliance (RA) formierte. Nach Deutschland kam Reiki 1983 über die RA; die ersten drei deutschen Reikimeister waren Brigitte Müller sowie Horst und Edith Günther. 1995 gründeten diese zusammen mit anderen die Fördergemeinschaft Reiki-Praktizierender (FGR), welche sich neben der Qualitätssicherung das Ziel der wissenschaftlichen und juristischen Anerkennung des Reiki Systems der Revitalisierung nach Dr. Usui gesetzt hat und auch diese Studie begleitete. Die FGR schätzt die Zahl der 1997 in der BRD in den 1. Grad Reiki Eingeweihten auf eine Million (FGR, 1.5.2003).

Nachfolgestreit:Zwischen den Begründerinnen der beiden großen Schulen, Furumoto und Ray, besteht eine gewisse Konkurrenz darüber, wer denn nun die rechtmäßige Nachfolgerin von „Großmeisterin” Takata sei. In Hinblick auf diesen Sachverhalt weist Frank Petter (1997, zitiert nach Rivard, 4.5.2003 b) nachdrücklich darauf hin, dass entgegen den Aussagen Takatas die von Usui gegründete ursprüngliche Reiki-Gesellschaft bis heute besteht, und dass es den von Takata postulierten (und für sich selber in Anspruch genommenen) Titel Großmeisterin bzw. Linienträgerin nie gegeben habe.

Wenn es einen rechtmäßigen Nachfolger Usuis gebe, so Petter, sei dies der derzeitige Vorsitzende der inzwischen in Usui Kai umbenannten Usui Reiki Ryoho Gakkai. Der erste Vorsitzende war Usui selber gewesen, seit 1998 habe Prof. Masaki Kondo als siebter Vorsitzender dieses Amt inne. Der Vorsitz der Usui Kai sei im Übrigen in erster Linie auf die Verwaltung der Gesellschaft ausgelegt und beinhalte keine besonderen Vorrechte oder Auszeichnungen. Bei der nur relativ wenige Mitglieder umfassenden Usui Kai handele es sich auch eher um eine Unterstützungsgruppe mit Mitgliedschaft als um eine öffentlich zugängliche Reikischule; es werde dort sehr still und zurückgezogen gearbeitet. Heute erlebt Reiki in Japan über den „Re-Import” aus dem Westen eine Art Renaissance, an der die alten japanischen Schulen allerdings wenig Anteil nehmen.

Ausbildung und Qualitätssicherung: Usuis Nachfolger haben sein System in Japan wie im Westen individuell angepasst und abgewandelt, so dass heute eine schwer überschaubare Vielzahl von Schulen und Strömungen besteht. Auch innerhalb einzelner Schulen kann es zu Abweichungen kommen, selbst dann, wenn diese gar nicht intendiert sind. So mussten Takatas Schüler nach dem Tod ihrer Meisterin bei einem Vergleich der mündlich weitergegebenen Reiki-Symbole laut Weiss (2.5.2003b) feststellen, dass deutliche Unterschiede bestanden. Zwar existieren handschriftliche Aufzeichnungen der Symbole von Takata, doch werden diese, zumindest innerhalb von RA und FGR, nur an Meisterschüler weitergegeben. Auf dem „freien Markt” hingegen, wo es inzwischen Meister der 30. Generation innerhalb der letzten 18 Jahre geben soll, dürften z. T. ganz erhebliche Abweichungen vorliegen (Karin Vorlauf, persönliche Mitteilung, September 2003).

Ein Aspekt, der zu dieser raschen Generationsfolge beitrug, liegt
vermutlich in dem häufig kritisierten Verhältnis von Reiki zum Geld begründet. Usui selber soll für Behandlungen geringfügige Entgelte zur Sicherung seines Lebensunterhaltes genommen, Einweihungen ansonsten jedoch vom spirituellen Trainings- und Entwicklungsstand seiner Schüler abhängig gemacht haben (Miles & True, 2003; Rand, 2000). Von Takata wurden für Ausbildung und Einweihungen dann Entgelte (der so genannte „Energieaustausch“) festgelegt, an denen sich bis heute nicht viel geändert hat.

Was jedoch festzulegen versäumt wurde, waren Inhalte und Umfang der Ausbildung. Nachdem Furumoto 1985 auf einem internationalen Reikimeistertreffen in Friedrichsdorf bei Frankfurt dann die Einweihung von Reikimeistern allgemein freigab, kam es zu einem, in Reikikreisen häufig beklagten, raschen Verfall der Ausbildungsqualität. Offensichtlich erlagen viele Meister der Versuchung, den Entwicklungsstand ihrer Schüler außer Acht zu lassen, auf eine umfassende Ausbildung zu verzichten und die Verleihung der Reikigrade in erster Linie vom Geld abhängig zu machen. Doch auch die Schüler scheinen zu dieser Entwicklung beizutragen. So wären nach einer persönlichen Information von Karin Vorlauf (10.9.2003) die meisten der bei ihr anfragenden Reikimeisteranwärter eher bereit, 10.000 € für ein Wochenendseminar zu bezahlen, als die Mühsal einer mehrjährigen Ausbildung auf sich zu nehmen. Um dem überhand nehmenden „Wildwuchs” einen Riegel vorzuschieben, gibt es in den letzten Jahren wachsende Bestrebungen, Ausbildungsrichtlinien und Standards zu entwickeln, die sowohl dem Verkauf von Einweihungen ohne angemessene Ausbildung Einhalt gebieten, als auch die Qualität während der Ausbildung sichern sollen.

Behandlung: Eine normale Ganzkörperbehandlung mit dem 1. Grad Reiki (Reik 1- Behandlung nach FGR & Reiki Alliance) sieht so aus, dass die behandelte Person sich in ruhiger, entspannter Atmosphäre hinlegt, während die behandelnde Person sich innerlich einstimmt, um Anschluss an die Reiki-Energie bittet, die Aura des zu Behandelnden glatt streicht und dann für etwa 60 – 90 Minuten die Hände auflegt. Direkter Körperkontakt (bekleidet) ist üblich, jedoch nicht zwingend notwendig – die Hände können auch 10 – 20 cm über dem Körper gehalten werden. Bei der einfachen Ganzkörperbehandlung werden an etwa 20 verschiedenen standardisierten Positionen (überwiegend Kopf und Rumpfbereich) auf der Körpervorder- und -rückseite die Hände für jeweils etwa drei Minuten aufgelegt. Meditative Musik, Räucherstäbchen, Kerzen etc. sind verbreitet und werden atmosphärisch meist als angenehm erlebt, müssen aber nicht sein. Im Grunde genommen bedarf es nichts weiter als des Auflegens der Hände, um Reiki fließen zu lassen, egal wie, wann, wo und für wie lange. Höheren Reikigraden bietet sich während der Behandlung noch die Möglichkeit, den Energiefluss mit dem Kraftsymbol (Reiki 2) bzw. dem Meistersymbol zu verstärken, oder eine Affirmation zu übermitteln.

Fernreikibehandlungen sind erst ab dem 2. Grad Reiki möglich und werden darum auch als Reiki II-Behandlungen bezeichnet. Sie unterscheiden sich von den Direktbehandlungen in erster Linie dadurch, dass die Empfangsperson in der Imagination behandelt und die Reiki-Energie mit Hilfe spezieller Symbole und Mantras übermittelt wird. Die Entfernung zwischen Reiki-Sender und Empfänger spielt hierbei keine Rolle. Ansonsten ist das imaginierte Procedere dem bei der Direktbehandlung recht ähnlich, außer dass die Behandlungsdauer in der Regel kürzer ist (bei der FGR etwa 15 Minuten) und die behandelte Person in der Imagination verkleinert werden kann, so dass sie sich vollständig zwischen den Reiki gebenden Händen befindet. Auch Affirmationen (positiv formulierte mentale Botschaften) können gesendet werden. Ebenfalls soll es möglich sein, die Energie in die Zukunft oder die Vergangenheit zu verschicken – an andere wie an sich selbst.

Wirkungen: Subjektiv wird Reiki meist als Wärme (manchmal auch Kälte), Strömen (evtl. langsam pulsierend), Ziehen, Kribbeln, Prickeln oder sanftes Vibrieren erlebt und bringt einen Zustand tiefer Entspannung, oftmals auch Müdigkeit, mit sich. Es wird in der Regel als sehr wohltuend erlebt. Bei Reikibehandlungen treten häufig nicht unerhebliche körperliche wie psychische Auswirkungen auf. Ein Entgiftungsprozess soll angeregt werden, und es wird empfohlen, nach Behandlungen viel zu trinken. Reiki scheint bei so gut wie allen Krankheiten über die Anregung von Selbstheilungsprozessen auf sanfte Art unterstützend zu wirken. Zwar wird in der Populärliteratur auch von der Möglichkeit wahrer Heilungswunder berichtet (z. B. Haberly, 1991), jedoch sieht es mit dem Nachweis medizinisch gesicherter und dokumentierter „Wunderfälle” bislang eher bescheiden aus; der Verfasser konnte zumindest keinen ausfindig machen.

Reiki in der Krankenhauspraxis: Rand (2000) stellt fest, dass in den USA in über 100 Krankenhäusern mit Reiki gearbeitet werde. Miles und True (2003) geben eine Übersicht über 30 Kliniken, in denen mit Reiki gearbeitet wird. Die meisten davon finden sich in den USA, doch auch in Hawaii, Chile und im Libanon werden Kliniken genannt.

Angewendet wird Reiki grundsätzlich auf 3 Arten:

  1. Durch externe Behandler: Reikipraktizierende von außerhalb bieten Behandlungen für Patienten und Personal an.
  2. Durch das Personal, welches in den 1. Grad Reiki eingeweiht und in der Anwendung geschult wird.
  3. Als Selbstbehandlung: Patienten, Angehörige oder Freunde erhalten die Einweihung in den 1. Grad Reiki und werden in der Anwendung geschult.

Reiki wird hierbei ausschließlich zur Ergänzung, Unterstützung und Erleichterung der normalen medizinischen Maßnahmen eingesetzt, wobei die größte Rolle der Angstreduktion, Schmerzlinderung und Entspannung zukommt. Als ungefährliche und einfach in den Krankenhausalltag integrierbare Technik ohne Nebenwirkungen wird Reiki in nahezu allen Bereichen eingesetzt. Rand (2000) sowie Miles und True (2003) nennen in weitgehender Übereinstimmung den Einsatz im OP, nach Operationen, bei Krebs, HIV, Asthma, Unfruchtbarkeit, Kopfschmerzen, akuten Infektionen, chronischen Krankheitsbildern, in der Notfallmedizin, Säuglingspflege, Pädiatrie, Psychiatrie, Gerontologie sowie gegen die Nebeneffekte von Medikamenten und Bestrahlungen. Als eigenständige Therapieform oder Ersatz für medizinische Interventionen ist Reiki jedoch nirgendwo erwähnt worden.

Als Effekte von Reiki werden neben Stressreduktion, Schmerzlinderung und Entspannung die Beschleunigung von Heilungsprozessen, geringerer Medikamentenverbrauch, geringere Nebenwirkungen von Medikamenten, besserer Schlaf, erhöhter Appetit sowie bessere Kooperation und Kommunikation mit dem Personal genannt. Rand (2000) betont die Notwendigkeit zur Kostenreduktion in den Kliniken bei gleichzeitiger Steigerung des Pflegeangebotes als einen gewichtigen Grund für die verbreitete Anwendung von Reiki. Aus zeitlichen und finanziellen Gründen sei die Mehrheit der Programme keiner systematischen Evaluation unterzogen worden. Da es sich bei Krankenhäusern in der Regel jedoch um Wirtschaftsbetriebe handelt, legt die zunehmende Verbreitung von Reiki seine grundsätzliche Wirksamkeit im klinischen Kontext nahe. Die Frage nach den Wirkmechanismen bleibt davon unberührt.

Reiki als paranormales Phänomen: Reiki wird von seinen Anwendern als feinstoffliche Energie bezeichnet und wäre damit eher der (Heilungs-) PK als der ASW zuzuordnen. Bislang ist jedoch noch nicht nachgewiesen worden, dass es sich bei Reiki überhaupt um ein paranormales Phänomen handelt. Die bei einer Direktbehandlung zu beobachtenden physischen, psychischen und medizinischen Auswirkungen ließen sich durchaus als Effekte von Entspannung, verbesserter Durchblutung, lokaler Wärme, konzentrativer Selbstaufmerksamkeit, emotionaler Zuwendung, sozialer Unterstützung oder pauschal als Placeboeffekte erklären. Ähnliches gilt für Fernreiki in der normalen Anwendung. Sollte sich aber unter Ausschluss bzw. Kontrolle konventioneller Einflussgrößen ein Effekt ergeben, so kann dieser per definitionem nur paranormaler Art sein.

Da beim Fernreiki kein direkter Kontakt zwischen Sender und Empfänger besteht, können hier konventionelle Einflussgrößen recht zuverlässig ausgeschlossen werden, was bei der Direktbehandlung kaum vollständig möglich ist. Für die Untersuchung von Reiki auf paranormale Aspekte bietet sich die Fernbehandlung damit sehr viel eher an als die Direktbehandlung.

Diplomarbeit von Moritz Harder “Zur paranormalen Informationsvermittlung mit Fernreiki”

Teil 1: Zur paranormalen Informationsvermittlung mit Fernreiki – Gegenstandsbereiche
Teil 2: Zur paranormalen Informationsvermittlung mit Fernreiki: Forschungen
Teil 3: Zur paranormalen Informationsvermittlung mit Fernreiki: Reikiforschung
Der empirische Teil der Arbeit wurde nicht auf Reikiland veröffentlicht.

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5 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Diplomarbeiten werden doch auch in elektronischer Form bei den Instituten abgegeben. Stellen Sie doch einfach die ganze Word-Datei online. So sind auch Bilder implementiert und sie haben weniger Arbeit. Die Konvertierung Word –> pdf müsste der Author oder ein Bekannter doch schnell hinkriegen. Ich würde gerne bald die ganze Arbeit lesen.

    liebe Grüße

    Euer Reikimeister

  2. Frank Doerr

    Die Arbeit liegt mir als PDF vor. Ich habe mich allerdings aus mehreren Gründen dazu entschieden, sie hier in HTML-Form zu publizieren. Insofern bitte ich um Geduld (zumal angesichts dieses kostenlosen Services). Betrachten Sie es wie die Türchen bei einem Weihnachtskalender 🙂

  3. Mir ist klar, warum der empirische Teil hier nicht abgedruckt wurde. Aus ihm geht glasklar hervor, dass es keinen Zusammenhang von Reiki und empirischer Wirkung gibt. Es war eine klare Nullkorrellation. Aber dennoch wird die Arbeit gern zitiert, da sich damit Quacksalberei so einen schönen wissenschaftlichen Anstrich geben kann.
    Sie sollten sich schämen!

  4. Die Diplomarbeit zeigt KEINEN Zusammenhang von Fernreiki zu Probandenwahrnehmung. Nicht einmal das.
    Sie sollten sich schämen, das hier so zu platzieren.

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