Glaube - einmal ganz unabhängig von irgendwelcher Religion - ist ein Glaubensgrundsatz.
Der Glaube an sich bedeutet : Ich glaube, also ist es.
Das ist das Pendant zu dem "Es sei !" , das euch vielleicht bekannt vorkommt.

Ich glaube, also bin ich ? - Nun, ich denke, das kommt auf die Auffassung vom "eigenen Ich" an.

In der Philosophie haben wir übrigens ein ähnliches Zitat, nämlich das (etwas unkorrekt wiedergegebene) "ich denke, also bin ich" von Descartes.
Ich habe einmal den Versuch gemacht, und das Prinzip herumgedreht : "Ich bin, also denke ich."

Was spricht dagegen ?


Ich zitiere hir mal zwei Abschnitte aus einem Text, an dem ich gerasde arbeite :
Einführung / Grundlagen
Mit der Renaissance hat sich in Europa ein Denkmuster verbreitet, das heute noch gültig ist. Es ist dies das Denkmuster der Abstraktion und Objektivierung. Dieses Denkmuster wurde entwickelt, um Dinge abgetrennt von ihrer Natürlichkeit unter besonderer Berücksichtigung der Ratio, des logischen Denkens, zu betrachten.
Mit „Objektivierung“ bezeichne ich denn Vorgang, in dem ein Ding aus seinem natürlichen Zusammenhang herausgelöst wird, und nur unter bestimmten Aspekten betrachtet wird, namentlich den Aspekten der rationalen Logik, und des Materials.
Das Objekt wird also zum Einen als ein Ding in sich selbst betrachtet - sozusagen dinglich - und nicht in seinem Kontext, in dem es natürlicherweise eingebettet ist.
Hinzu kommt, daß das Ding unter dem Gesichtspunkt des logisch-rational faßbaren und meßbaren betrachtet wird.
(Unter „Ding“ wird hier implizit auch jedes Lebewesen bezeichnet - warum, erkläre ich weiter unten im Text.)
Dies führte zur Entwicklung der exakten Wissenschaften, wie wir sie heute kennen, in Form von Mathematik, Physik und Chemie. Aber auch andere Wissenschaftsbereiche wurden durch dieses Denkmuster beeinflußt : Archäologie, Sprachwissenschaft und Geographie, um nur einige zu nennen.
Dieses Denkschema der Betrachtung von Dingen führte zur „Entmystifizierung“ vieler Ereignisse des täglichen Lebens, wie zum Beispiel chemischer Experimente, des Blitzschlags und der Verhaltensforschung.
Einen besonderen Triumph erlebte dieses Denkschema mit dem Beweis, daß sich selbst das Verhalten hochstehender Säugetiere wie dem Hund aus rein logischen Gesichtspunkten erklären läßt. Gemeint ist das Experiment, das als „Pawlov’scher Hund“ in die Geschichte eingegangen ist.
Hier ist man allerdings nicht so weit gegangen, zu beweisen, daß das Verhalten des Menschen in analoger Weise rein logisch erklärbar ist. Dies geschah aus vielerlei Gründen, beispielsweise aus der Überzeugung heraus, für den Menschen als freistehender „Krone der Schöpfung“ dürfe es so etwas nicht geben, und nur „niedere“ Tiere seien solcherart erklär- und erfaßbar. Konsequenterweise wurde in Zeiten des Kolonialismus und der Nazi-Diktatur genau dieses Element dazu mißbraucht, um unliebsame Völker einer „niederen“ Kategorie zuzuordnen, um damit gewissermaßen einen „Freibrief“ für die Unterdrückung dieser Volker zu haben.
Nach meiner persönlichen Überzeugung hätte sich das Menschenbild von der „freistehenden Krone der Schöpfung“ in erheblichem Maße gewandelt, wenn der Versuch gelungen wäre, menschliches Verhalten analog zum Pawlov’schen Hund aufzuzeigen. Selbst heute noch sind viele Menschen der festen Überzeugung, daß es dies nicht geben könne und dürfe, anderenfalls wäre ein solches Experiment - von dessen Erfolg ich überzeugt bin - in den Medien publiziert worden.
Fatalerweise hat das Experiment des Pawlov’schen Hundes Tiere einer „niederen“ Kategorie zugeordnet, wie sie sich immer noch im Bundesdeutschen Recht wiederspiegelt : Tiere werden dort als Objekte betrachtet, und die Tötung eines Tieres stellt eine Sachbeschädigung dar. Dies führte - wie oben bereits angedeutet - zu einer Verzerrung des Weltbildes hin zu einem „macht euch die Welt untertan“ - der Glaube an das unendlich Machbare.
Dieses Denkmuster und das daraus resultierende Weltbild führten zur massiven Ausbeutung natürlicher Ressourcen für die wachsende Industrie. Bis zum Aufkommen der Ökologie ist eine Denkweise des „schonenden“ Umgangs mit natürlichen Ressourcen undenkbar geblieben. Wozu etwas schonen, das doch zur Ausbeutung gedacht war ?
Tiefe Steinbrüche, Umweltverschmutzung, die Gebiete auf Jahre hinaus unbelebbar gemacht haben, die Entwurzelung von Menschen durch deren Vernichtung ihrer Dörfer durch Kohleabbaufahrzeuge und die ultimative Verseuchung ganzer Landstriche über Jahrhunderte hinaus durch Radioaktivität sind nur die Höhepunkte dieses Weltbildes, das impliziert, daß alles, was ist, der „Krone der Schöpfung“ dient bzw. zu dienen hat.
Dies sind natürlich nur die negativen Seiten einer aus einer Denkhaltung resultierenden Entwicklung, die im Bereich der Medizin zum Beispiel erhebliche Fortschritte im Bereich der Gesundheit gemacht hat. Aber auch die Medizin leidet zu einem Grade unter der „Rationalisierung“ des (nicht nur menschlichen) Lebens : Sie führte zu dem, was wir heute unter der Bezeichnung „Apparatemedizin“ kennen.
Schlimmer noch : Die Objektivierung von Dingen und Lebewesen hat auch vor dem Menschen nicht halt gemacht. In der Wirtschaft wird das menschliche Individuum als Material, als „human resource“ („menschliche Ressource“) zusammengefaßt, die eine Firma bei Bedarf anwerben, aber auch „freistellen“ kann.
Diese logische, rationale Denkweise der „Objektivierung“ reißt das Objekt - und das Lebewesen - aus seinem natürlichen Kontext heraus. Es trennt „Objekt“ von der Wirklichkeit, indem es eine eigene, artifizielle Wirklichkeit erschafft, die auf Regeln der Logik basiert, und nicht auf dem Kontext, in dem es entstanden oder aufgewachsen ist.
Beispiele dafür sind zahlreich. So hat die Biologie eine lange Zeit nicht erklären können, ob Ballaststoffe in der Nahrung überhaupt einen Sinn machen. Dies wurde mehrheitlich verneint. Die Folge war ballaststoffreies Mehl, das heute der Standard in vielen Haushalten ist. Erst spät wurde erkannt, daß Ballaststoffe in ihrem Kontext betrachtet ihren Sinn haben : Sie quellen auf und fördern damit beispielsweise die Verdauung. auch können sie über die längere Verweildauer von Medikamenten im Verdauuungstrakt eine Verstärkung dieser Medikamente hervorrufen.
Ein weiteres Beispiel sind ökologische Zusammenhänge. Durch die Trennung und Isolierung von Tieren in ihrer streng logisch-rationalen wissenschaftlichen Betrachtungsweise wurden lange Zeit ökologische Verknüpfungen zwischen Tier- und Pflanzenarten nicht erkannt. So gibt es Pflanzenarten, die auf bestimmte Tierarten zur Bestäubung ihrer Blüten angewiesen sind. Ohne diese sterben sie aus.
Ein weiteres Beispiel sind Nahrungsketten, die unterbrochen werden können, weil Menschen einzelne Pflanzen- oder Tierarten für den eigenen Verbrauch ausrotten. Auch hier ist das einzelne Individuum - sei es Pflanze, sei es Tier - nur in seinem ganz spezifischen Umfeld - dem Kontext - effektiv betrachtbar.
Warum Objektivierung ?
Die Objektivierung ist nur aus dem kulturhistorischen Kontext der Renaissance („Wiedergeburt“) erklärbar. Damals wurde die Macht der Kirche und die Abhängigkeit von ihr in Europa zunehmend als bedrückend empfunden. Daher versuchte man, sich von ihr zu lösen. Als Weg dazu wurde die Neubestimmung („Wiedergeburt“) des Menschen ausgewählt. Man wählte zum Standpunkt der Neubestimmung den Mernschen selbst, um sich ein für allemal von der Abhängigkeit der Kirche oder sonstiger Institutionen freizumachen. Daraus resultierten einerseits die besondere Betonung der menschlichen Ratio, und zum Anderen (zum Teil daraus folgend) die Heraushebung der Ration als Grundstein allen Ermessens selbst. Beispielsweise fußt darauf der berühmte Satz des Philosophen Descartes, der im Allgemeinen mit „ich denke, also bin ich“ wiedergegeben wird (was exakt betrachtet nicht ganz korrekt ist). Der Mensch definiert sich also aus sich selbst heraus - und aus der Tatsache heraus, daß er überhaupt denkt. Denn das Denken an sich hebt ihn - nach allgemeiner Meinung, augenscheinlich perfekt durch Pawlovs Experiment mit jenem Hund bewiesen - aus der Masse der Lebewesen heraus. Der Mensch ist einzigartig, er ist - so glauben es viele heute noch - sogar einzigartig im Universum. Eine Denkweise übrigens, die der von der katholischen Kirche vertretenen Denkrichtung „die Sonne dreht sich um die Erde“ nicht unähnlich ist.
Demzufolge ist die Objektivierung darauf angelegt, sich von der Abhängigkeit anderer Systeme frei zu machen. Speziell von dem System der Kirche in Europa. Die Objektivierung sollte aber auch dem Menschen Macht geben : Macht über sich selbst. Indem er sich von seinem Umfeld trennt.
Dies ist das meiner Meinung nach zentrale Element der Objektivierung : Trennung.
Die Objektivierung gibt dem Menschen Macht über Dinge und Lebewesen - über alle Pflanzen und Tiere, in der letzten Konsequenz sogar über den Menschen selbst. Das, was ja angestrebt war.
Dies geschieht durch die Verdinglichung allen Seins - allem, was ist. Das schließt nicht nur „normale“ Dinge ein, wie einen Tisch, einen Stuhl, sondern auch alles Leben. Denn Leben ist auch, also kann es auch verdinglicht werden. Auch hier gilt . Dies können Pflanzen sein, Tiere - und in letzter Konsequenz auch der Mensch selbst. Es war nur eine Frage der Zeit, daß ein Begriff wie „menschliche Ressource“ auftauchen würde : Dies war vom Konzept der Objektivierung bereits vorgeschrieben. Selbst Charles Chaplin hat dies erkannt, als er - im Angesicht der Industrialisierung - die Menschen in einer kurzen Sequenz als eine gedankenlose, irgendwohin treibende (und treibbare) Masse darstellt („Moderne Zeiten“).
Mit den Begriffen (und Werkzeugen) der Objektivierung - Logik und Materialismus - betrachtet, ist auch der Mensch nichts anderes als ein Ding - ein Roboter. Er gehorcht mechanisch logischen Gesetzen, die ihm durch seinen Körper diktiert werden. Neuronen (die Nervenzellen) entscheiden über das Handeln, das Tun des Menschen, und er hat in letzter Konsequenz keinen Einfluß darauf. Sie können chemisch oder physikalisch gereizt werden, woraufhin der Mensch reflexartige Handlungen ausführt, genauso, wie ein preßluftbetriebener, über elektrische Schaltungen betriebener Roboter. Denke ich diesen Weg zu Ende, wie es auch inzwischen einige Neurologen tun, kann kann - nein, muß ! - ich jegliche Verantwortung für mein Tun und Handeln abstreiten. Nach dem Motto : Wir sind nur die Sklaven unserer Neuronen.
In diesem objektivistischen Denkmodell gibt es auch keinen Platz für einen „Geist“. (Ich bevorzuge hierbei das englische Wort „spirit“, das im Deutschen auch in der „Spiritualität“ vorkommt.) Denn wo der Körper rein mechanisch oder chemisch oder physikalisch auf Reizungen reagiert, die unter sterilen Laborbedingungen jederzeit reproduzierbar sind, scheint eine Erklärung, die auf einem freien Willen sowie einem wie auch immer gearteten „Geist“ basiert, obsolet.
Dies ist meiner Meinung nach auch die Ursache für die derzeit grassierende „Religionsmüdigkeit“ : Menschen, die sich selbst, ihre Umwelt und alles, was ist, rein mechanistisch sehen, werden keinen Platz für Spiritualität finden. Denn dieser ist im objektivistischen Weltbild nicht vorgesehen.
Einmal abgesehen davon hat Glaube noch eine ganz anderew Qualität, die ich weiter oben angedeutet habe : Glaube kann unsere Realität beeinflussen.
Das geht insofern, als daß Glaube mein und dein Weltbild bestimmt. Wenn ich an irgendeinen Sachverhalt glaube , dann ist dieser Sachverhalt auch "wahr" für mich - in meiner, ganz spezifischen Realität.
Wenn ich nun zum Beispiel daran glaube - um mal ein Extrembeispiel zu nennen - daß ein Medikament bei mir wirkt, so wird es auch bei mir wirken, selbst dann, wenn es ein Placebo ist. Oder um ein etwas weniger drastisches Beispiel zu nehmen : Wenn ich glaube, daß mir Bratkartoffeln lecker schmecken, dann werden sie mir auch lecker schmecken.

Das führt mich zu der Problematik der Glaubensgrundsätze : Ein Glaubensgrundsatz ist im Prinzip nichts anderes als Glaube in sich - nur halt in der Form eines Grundsatzes, der sich auswirkt, wie ein Prinzip oder Gesetz.
Um es einmal wieder mit einem drastischen Beispiel zu veranschaulichen : wenn ich glaube, daß mich alle Leute verfolgen, wird saich das für mich als „wahr“ erweisen - gleichzeitig werde ich damit aber auch zu einer Person, die unter Verfolgungswahn leidet. Für mich wäre das genauso „wahr“, wie wenn ich glaube, daß jeden Morgen die Sonne aufgeht. Für mich ganz persönlich gäbe es da keinerlei Unterschied. Keinen.
Ich bräuchte einen Psychologen, um mich wieder zum „allgemeingültigen Weltbild“ zu bringen (mich also vom Verfolgungswahn abzuhalten).
Das impliziert natürlich auch, daß Anhänger einer Religion, die glauben, daß die Welt untergeht, wenn man den Göttern nicht immer Nahrung - zum Erhalten der Erde - gibt, dies auch für „wahr“ halten. Azteken, zum Beispiel.
Ein recht esoterisches Konzept geht sogar noch weiter : Nach Huna ist es sogar so, daß nicht nur die subjektive Realität/Wirklichkeit durch Glaubensgrundsätze geformt wird, sondern sogar die objektive. Das ist dann so, daß wenn ich glaube, daß alle Menschen mich verfolgen, mich die Realität exakt diese Erfahrung machen lassen wird ! Ich werde - nach diesem Konzept - Menschen treffen, die sich so benehmen, als wenn sie mich wirklich verfolgen würden. Wenn nur mein Glaube stark genug ist.
“Wenn nur mein Glaube stark genug ist ...“
Das führt zu einem sehr wichtigen und sehr interessanten Nebenschauplatz : Zweifel.
Unsere Realität ist - nach schamanischen Prinzipien - nichts anderes als eine Massenhalluzination. Je nach Stärke des Glaubens oder des Zweifelns manifestiert sich entweder das eine oder das andere als „Realität“. Zweifelt eine Person - oder schlimmer noch : eine ganze Menge von Personen ! - stark genug an den Künsten eines Drahtseilartisten, so wird dieser von seinem Seil herunterstürzen - es sei denn, er kann diesen Zweifel mit seiner Überzeugung kompensieren. Insofern gesehen ist ein Drahtseilkunststück im Zirkus nicht nur gefährlich wegen des Seiles, sondern auch wegen des Zweifels.
Der Zweifel an „Wundern“ bewirkt daher konsequenterweise auch, daß sie sich nicht manifestieren, daß es sie nicht „gibt“ (im Sinne von “Sein“).
Der positive Aspekt von Glauben ist, daß man glaubt (und daher „weiß´“, daß man tatsächlich etwas zustandebringt ) und das Gegenteil davon ist der Zweifel, der dazu führt, daß man es eben nicht schafft.
Soviel von mir zum nicht-religiösen Aspekt von „Glauben“.
Wer Fragen hat, kann mir eine PN oder PM zusenden.
Alrik.